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Melt 2017 – Glitzer und Beats für den Meltfrieden

Wenn die riesigen Maschinen in bunten Lichtern erstrahlen, Technobeats sich mit Indie-Gitarren-Klängen vermischen und auf dem Sleepless Floor Tag und Nacht getanzt wird, dann ist wieder Melt. Zum 20. Geburtstag kommt das Festival mit einem beeindruckenden Line-Up daher und sorgt für ein unvergessliches Festivalwochenende.

Das Melt ist nicht wie all die anderen Festivals. Zum einen durch die einmalige Location in einem alten Braunkohletagebau und zum anderen durch seinen Ablauf. Tief verbunden mit der Berliner Clubszene, startet es erst spät am Nachmittag und geht bis in die frühen Morgenstunden. Den Höhepunkt erreicht es oft erst, wenn die Sonne schon wieder aufgeht und wer dann noch nicht genug hat, kann den Tag auf dem Sleepless Floor durchmachen.

Vorfreude, tonnenweise Glitzer und viel Liebe liegen in der Luft. Das inoffizielle Motto dieses Jahr ist „Meltfrieden“ und der wird ausgiebig zelebriert. Neukölln-Hipster feiern ausgelassen mit Londoner Festival-Touris, Indie-Boys schmusen mit Techno-Chicks, Hippietum trifft auf Rave-Culture, deutsches Kulturgut auf Easyjetset. Hier kommt alles an Subkulturen zusammen, was Europa so zu bieten hat und feiert in trauter Einigkeit. In Ferropolis sind alle ein bisschen netter – ein bisschen glücklicher.

Das Festivalwochenende startet mit der bezaubernden Maggie Rogers. Im auffälligen blauen Einteiler tanzt sie über die Bühne und wirkt dabei noch etwas schüchtern, doch das macht sie nur noch sympathischer. Kamasi Washington und Sylvan Esso läuten den ersten Abend in Ferropolis ein, und während die Sonne langsam untergeht, füllt sich das Gelände. Das erste Highlight des Wochenendes kommt von Glass Animals. Sänger Dave Bayley wirbelt mal wieder wie ein Irrer über die Bühne und steckt alle mit seiner guten Laune an. Es ist doch immer wieder faszinierend zu sehen, wie die Menge sich mitreißen lässt, obwohl die Songs der vier Jungs aus Oxford in Deutschland noch relativ unbekannt sind. Am Ende des Sets sind alle in Partystimmung und die Band hat mit Sicherheit einige neue Fans hinzugewonnen.

Danach schlägt Kate Tempest auf der Medusa Stage ernstere Töne an und begeistert die Zuhörer mit ihrer Mischung aus Sprechgesang und Poesie. Pünktlich zum Start von M.I.A. fängt es leider an, in Strömen zu regnen, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Maya trotzt dem Wetter in einem knallorangen Umhang und bringt Frauenpower nach Ferropolis. Wenn sie ihre doch eher politischen und sozialkritischen Songs auspackt, dann macht das Spaß und hat so gar nichts von erhobenem Zeigefinger. Dass man am Ende bis auf den Schlüpper durchnässt ist, ist spätestens bei „Paper Planes“ wieder vergessen.

Tag 2 beginnt für die meisten wohl erstmal mit einem ordentlichen Kater auf dem Campingplatz. Gut, dass das Musikprogramm am Samstag erst gegen Abend startet. So bleibt noch etwas Zeit um auszunüchtern, in der Sonne zu liegen und in den Gremminer See zu springen. Die Augenringe schnell noch mit etwas Glitzer überschminkt und so gut wie neu kann es dann auch wieder weitergehen. Ja, so ein Festivalwochenende ist kein Witz, es ist harte Arbeit und erfordert viel Ausdauer und Hingabe von seinen Besuchern. Nur gut, dass NAO es auf der Medusa Stage richtig krachen lässt und selbst den Letzten aus seiner alkoholinduzierten Lethargie reißt. Ein weiteres Highlight an diesem Wochenende ist Sampha. Mit viel Gefühl und Kraft singt der Londoner von Trauer, Schmerz und Liebe. Sein Debütalbum „Process“ ist nicht umsonst eines der heißesten Anwärter auf den Titel „Album des Jahres“, das stellt er auch hier wieder unter Beweis.

Samstags-Headliner Bonobo macht herrlich schöne melancholische Musik aber irgendwie schafft er es nicht, die Massen so richtig mitzureißen. Das kann natürlich an dem eher relaxten Sound seiner Musik liegen. Wunderschön anzuhören ist es trotzdem und wem nach etwas mehr Action ist, der kann zu einer der anderen Bühnen weiterziehen. Das DJ-Set der Isländer von GusGus bringt die Menge zum Schwitzen und überzeugt vor allem durch Charme und Witz. Bei Modeselektor ist es so voll, dass man teilweise nur noch durch die Menge geschoben wird. Trotzdem bleiben alle ruhig und entspannt. Das Beste ist hier wohl, einfach treiben lassen und den Sonnenaufgang genießen. Um 7 Uhr morgens ist dann Schluss, aber es gibt ja immer noch den Sleepless Floor.

 

Am Sonntag merkt man so langsam, dass die letzten 48 Stunden nicht an jedem Spurlos vorbei gegangen sind. Alles läuft etwas langsamer ab und in die euphorische Stimmung mischt sich die Gewissheit, dass in ein paar Stunden alles schon wieder vorbei ist und man wieder in die glitzerlose Realität zurück muss. Aber bis dahin ist zum Glück noch etwas Zeit. Der letzte Festivaltag ist noch einmal vollgepackt mit Top-Acts. The Kills liefern am frühen Abend feinsten Indie-Rock und wir fragen uns: Wo können wir bitte lernen, so verdammt cool zu sein wie Frontfrau Alison Mosshart?!

Wenn es um Indie-Hymnen geht, kann man sich auf Phoenix verlassen. Vom ersten Song an geben die Franzosen Vollgas und sofort verwandelt sich der Platz vor der Melt Stage in eine riesige Tanzfläche. Der finale Abend ist in vollem Gange. SOHN ist ein weiterer Höhepunkt des Festivals. Ganz unaufgeregt sitzt der Brite von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet und mit Hut vor seinem Keyboard und verzaubert die Menge mit seinen elektronischen Klängen. Kein großes Getue und Tamtam. Hier zählt nur die Musik.

Die Antwoord bringen ein Spektakel, anders kann man es nicht nennen, nach Ferropolis. Zef it is! Etliche Kostümwechsel und einen Stagedive später tobt die Menge vor Begeisterung und es gibt sogar noch eine Zugabe, die in einer riesigen Konfetti-Explosion endet. Die Show ist so abgefahren, dass es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden, um sie gebührend zu beschreiben. Die Antwoord muss man einfach live erlebt haben. Ninja und Yolandi könnt ihr uns bitte adoptieren?! Eine letzte Überraschung an diesem Wochenende kommt von MØ, die man vor allem durch ihren Megahit „Lean On“ mit Major Lazer kennt. Obwohl ihre Musik eher im Bereich Elektropop einzuordnen ist, beherrscht sie die Bühne wie ein Rockstar und nimmt am Ende sogar noch ein Bad in der Menge. Ein gelungener Abschluss eines perfekten Festivalwochenendes.

 

Alles in allem war das Melt 2017 ein voller Erfolg. Wieder einmal haben sich für drei Tage, die verschiedensten Musikfans in Ferropolis eingefunden um in Harmonie zu feiern und der Welt zu zeigen, was Meltfrieden bedeutet. Hier kann man sich verlieren und der ätzenden Realität für 72 Stunden entkommen. Eine Parallelwelt in der es kein AfD, Trump und Brexit gibt. Schade ist allerdings, dass viele erst sehr spät abends aufs Festivalgelände kommen und so erstklassige Bands vor nur halbvollen Bühnen spielen. Das mag daran liegen, dass die Hardcore-Techno-Fans nichts für diese Musik übrig haben oder einfach nur daran, dass sie den ganzen Tag verpennen. Ein bisschen mehr Miteinander als nebeneinander wäre schön für die Zukunft des Melt. Schließlich sind doch alle aus einem Grund hier: Der Liebe zur Musik! Und wer weiß, was man alles entdeckt und erlebt, wenn man sich einfach mal mitziehen lässt und anderen Genres gegenüber offen ist.

Nach dem letzten offiziellen Act am Sonntag wollen die Besucher das Gelände nicht verlassen. Sit-ins und Spontanparties werden gestartet. Noch eine letzte Pommes gekauft. Noch ein letztes Selfie zum Andenken gemacht. Eine Gruppe von circa 30 Leuten tanzt um einen tragbaren Lautsprecher herum und grölt lauthals zu Spice Girls „Wannabe“ mit. Hauptsache das Ende noch um ein paar Minuten hinauszögern und dieses einmalige Gefühl von Unbeschwertheit, das einem nur Festivals geben können, einfangen und bis nächstes Jahr speichern. Ja, das Melt ist etwas ganz besonderes, das hat es auch dieses Jahr wieder bewiesen, und auch wir werden nächstes Jahr wiederkommen.

Tickets für das Melt 2018 gibt es hier!