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Glass Animals – Wie eine Ananas loszog, die Musikwelt zu erobern

Mit einer ausverkauften UK-Tour, hunderten Millionen Spotify-Streams und zwei triumphalen Auftritten auf der Main Stage beim diesjährigen Coachella, sind Glass Animals auf dem besten Weg, eine feste Größe im Musikgeschäft zu werden. In Deutschland ist die Band aus Oxford noch nicht im Bewusstsein der breiten Masse angekommen, aber das wird sich mit Sicherheit bald ändern.

Brixton Academy, London, letzten Monat. Eine kleine Ananas wartet im Scheinwerferlicht auf ihren großen Auftritt. Knapp 5,000 Menschen können es kaum erwarten, dass Glass Animals die Bühne betreten. Als sie es endlich tun, gibt es kein Halten mehr, schon beim Opener Life Itself bebt die Bude. Vom ersten bis letzten Song geben sie alles, das Publikum tanzt und singt lauthals mit. So laut, dass für kurze Zeit der Sound etwas untergeht. Aber das ist in diesem Moment egal. Wie ein Flummi hüpft Frontmann Dave Bayley über die Bühne, welche eine Mischung aus Tetris trifft Kakteenwüste ist. Eine Discokugel in Form einer Ananas macht ihrer kleinen Schwester Konkurrenz und lässt den Saal in einem Meer aus Farben erstrahlen. Am Ende bleibt absolute Euphorie und die Gewissheit, dass diese Band etwas ganz Besonderes ist und noch lange von sich hören machen wird.

 

Doch wer sind Glass Animals eigentlich?

Dave Bayley, Joe Seaward, Drew MacFarlane und Edmund Irwin-Singer sind zusammen in Oxford aufgewachsen und zur Schule gegangen. Das mit der Musik kam allerdings erst viel später, als alle zum Studieren in unterschiedlichen Städten wohnten. Von Schlaflosigkeit geplagt, fing Bayley an Nachts Musik zu machen und erste Songs zu produzieren. Auf Heimatbesuch in Oxford zeigte er die Demos seinen Freunden und sie beschlossen, eine Band zu gründen. So richtig ernst nahm das zu dem Zeitpunkt aber noch keiner. Schliesslich sollte erst das Studium beendet werden, falls das mit der Musikkarriere nicht klappt. Etwas Handfestes, wie man so schön sagt. Hin und wieder mal proben, hier und da ein Auftritt. Um so überraschender war es daher, als Produzent Paul Epworth (Bloc Party, Adele) sie bei einem ihrer Gigs sah und als ersten Act für sein neu gegründetes Indie-Label Wolf Tone unter Vertrag nahm.

Es ist schwer, nahezu unmöglich, dem Sound von Glass Animals mit Worten gerecht zu werden. Oft als „Radiohead trifft auf Massive Attack“ beschrieben, bewegen sie sich zwischen Indie-Pop, Psychedelic-Rock und Trip-Hop. Aber wer will heutzutage noch in eine Schublade passen?! Deshalb machen Glass Animals einfach, wonach ihnen der Sinn steht, sei es ein Kanye West Cover, eine Kooperation mit DJ Flume oder ein gemeinsamer Song mit US-Rapper Joey Bada$$. Bei Glass Animals gibt es keine Rockstar-Attitüde, sondern einfach nur clevere und ausgefallene Texte, gepaart mit einem unverwechselbaren Sound, der so ganz anders ist als alles, was im Moment durch die Charts geistert.

 

Aus dem Dschungel in die Großstadt

Das Debütalbum ZABA (2014) ist eine surreale, schwüle Reise durch den Dschungel. Inspiriert von Büchern wie Das verlorene Paradies, Herz der Finsternis und Die Insel des Dr. Moreau handelt es von tropischen Abenteuern. Es kommt ganz leise und unaufgeregt, fast schon schüchtern daher, entführt einen aber vom ersten bis zum letzten Song in eine Traumwelt und lässt einen am Ende mit Wehmut und Fernweh zurück. Mit mehr als 200 Millionen Streams auf Spotify wurde es ganz still und heimlich zum Internet-Erfolg und führte die Band mit ihren Liveshows einmal um die Welt. Und irgendwo da, zwischen Oxford und Sydney, wurde die Ananas zum heimlichen Markenzeichen der Band. Mittlerweile gibt es kein Konzert mehr, an dem Fans nicht alle möglichen Dinge in Ananasform und sogar echte Ananas mitbringen und auf die Bühne werfen. Achtung: Verletzungsgefahr!

 

 

Das im Sommer letzten Jahres veröffentlichte zweite Album How To Be A Human Being (2016) ist im Gegensatz zu ZABA laut, schnell und voller Selbstbewusstsein. Glass Animals wissen mittlerweile, was sie können und dieses Vertrauen merkt man dem Album an. Der extrovertierte Sound ist beeinflusst von den unzähligen Liveauftritten, die sie in den letzten Jahren gespielt haben. Lyrisch ist How To Be A Human Being eine Studie verschiedenster Charaktere. Inspiriert von Erfahrungen auf Tour und Menschen, die Songwriter Bayley unterwegs getroffen hat. Um diese Geschichten nicht zu vergessen, hat er etliche Gespräche mit Fremden auf Band aufgenommen und daraus dann seine eigenen Geschichten gebastelt. Jeder der 11 Songs repräsentiert eine andere fiktionale Person, welche mit viel Liebe zum Detail ausführliche Biografien verpasst bekommen haben. Extra gecastete Schauspieler hauchen diesen Personen auf dem Cover und in den Videos Leben ein und wer nicht genug bekommen kann von der Welt, die Glass Animals für How To Be A Human Being kreiert haben, der kann auf verschiedenen Webseiten noch weiter in die Welt der Charaktere eintauchen (z.B. auf http://raygun123.com).

 

 

Bei so komplexen Klangwelten ist es oft schwer, diese auch live rüber zu bringen und man fragt sich: „Kann das gut gehen?“ Ja, kann es. Glass Animals schaffen es, ihre Songs live noch einmal ganz neu zu interpretieren und damit die Menge in ihren Bann zu ziehen und zum Tanzen zu animieren. Live Auftritte sind neben dem genialen Songwriting definitiv ihre Stärke. Dazu trägt auch Bayleys Getanze auf der Bühne bei. „Dance like nobody’s watching“ sagen wir da nur. In Eurythmie hätte er mit Sicherheit eine 1 mit Sternchen bekommen. Ob es in England Waldorfschulen gibt?

Und was wurde aus der Ananas? Die hatte, wie bei jedem Glass Animals Konzert, ihren großen Moment ganz am Ende. Beim letzten Song, Pork Soda, singt Bayley „Pineapples are in my head“ und trommelt im Takt auf der Ananas herum, bevor er sie in die Menge wirft.

Aber überzeugt euch doch lieber selbst vom Können der vier Briten. Im Rahmen ihrer Europa-Tour spielen sie diese Woche drei Konzerte in Deutschland und sind im Juli beim Melt mit am Start.

 

27. April Astra Kulturhaus, Berlin

28. April Muffathalle, München

29. April Gloria, Köln

14. Juli Melt Festival, Gräfenhainichen

 

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