Seit 1972, ob gefaked oder nicht, hat niemand mehr den Mond betreten. Doch 40 Jahre technologischer Fortschritt und zwei der wohl größten Künstler unserer Zeit machen den Erdtrabanten jetzt zugänglich für Jedermann. Ai Weiwei und Olafur Eliasson schaffen die größte und versauteste Pinnwand des Universums.
Eine Welt ohne Grenzen
Auf der „Falling Walls Conference“ in Berlin haben die beiden Schwergewichte der zeitgenössischen Kunst das Ergebnis einer monatelangen Zusammenarbeit vorgestellt: Moon. Eine Art Pinnwand, auf der sich alle Bewohner unseres Planeten frei austoben und verewigen können und sollen. Auf der Webseite, www.moonmoonmoonmoon.com, die vom Namen her ähnlich schlank wie www.hdhdhd.de daher kommt, kann sich jeder, der mag, einloggen und dann einen im Google-Earth-Style programmierten Mond bekritzeln.
Während Eliasson auf einer Bühne in Berlin steht und das Projekt dem Publikum persönlich anpreist, muss Ai Weiwei live zugeschaltet werden. Die chinesische Regierung verbietet ihm seit Monaten die Ausreise, deshalb lächelt er freundlich wie Papa Schlumpf in seinem Studio in Peking in die Web-Cam. Weiwei scheißt auf Grenzen. Und wie einfach Mauern fallen und Grenzen überwunden werden können, das soll auch die interaktive Kunstplattform „Moon“ demonstrieren.
Wenn sich zwei der begabtesten und bekanntesten Künstler für ein Projekt zusammentun, dann sollte man sich doch auf eine bedeutsame Sensation gefasst machen, oder? Der Chinese Weiwei schafft es trotz aller möglichen Steine, die ihm seitens der Regierung in den Weg gelegt werden, seit Jahren, auf der ganzen Welt beeindruckende Kunstwerke zu zeigen. Nichts scheint ihn aufhalten zu können – ob Gefängnisaufenthalt oder Hausarrest – seine Werke sind nicht nur etwas fürs Auge, sondern auch immer kritisch. Der Däne Eliasson ist dafür bekannt überdimensionierte Installationen zu bauen. Er beschäftigt sich vornehmlich mit physikalischen Phänomenen in der Natur, wie Licht und Wasser, Bewegung und Reflexion.
Jedem Besucher der Website steht für seine Ideen ein Zeichenbrett mit verschiedenen virtuellen Werkzeugen zur Verfügung. Ob Pinsel, Stifte oder Radiergummi, falls einem der geistige Erguss doch nicht gefällt, für alles ist gesorgt. Ai WeiWei wählt für seinen ersten Eintrag auf dem Mond einen Pinsel und malt mit langsamen und gleichmäßigen Strichen einige chinesische Schriftzeichen. Die Schrift sei 3.000 Jahre alt, erklärt er und wiederhole eine Idee: Freiheit oder Sterben. Sehr poetisch – allerdings hält er sich persönlich seit Jahren nicht an dieses Credo.
Alle Nationen unter einer Flagge
„Wir beide glauben an das moderne Informationszeitalter und die damit verbundene Freiheit, im Internet frei miteinander kommunizieren zu können”, erklärte Ai Weiwei dem Publikum. „So wie auch niemand den Wind oder die Luft stoppen kann.“ Die Intentionen hinter „Moon“ dürften klar sein. Es geht bei dem Projekt also um Meinungsfreiheit, um Austausch und gegenseitige geistige Befruchtung. Alles sehr schöne Motive. Leider haben die beiden die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn den Teil mit der Befruchtung haben die Besucher der Website sehr wörtlich genommen.
„Hinterlass deine Spur auf dem Mond!” Das ist die Aufforderung der beiden Künstler.
Und nicht Wenige kamen der Aufforderung nach. Der Mond hat schnell begonnen sich mit Kritzeleien aus der ganzen Welt zu füllen. Das Duo hat aber offensichtlich das grundlegende Prinzip hinter der freien Meinungsäußerung nicht bedacht: Menschen interessieren sich nur für eins. Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Gib einem Mann einen Stift und er malt einen Penis. Und auch vor dem Mond macht er nicht halt.
Elliassons Zeugnisse der „psycho-sozialen, oder psycho-emotionalen Konsequenzen daraus, dass wir so unglaublich gut vernetzt sind”, haben die Menschheit tatsächlich unter einem Banner zusammengeführt. Und der trägt einen Penis im Wappen. Weiweis und Elliassons Mond hat mehr Penisse gesehen als Kim Kardashian. Sie haben auf eindrucksvolle Weise gezeigt, was alle Menschen miteinander verbindet, was sie zusammenschweißt. Sie funktionieren überall gleich. Sie sehen überall gleich aus. Wir sagen: Penis for President.