Wir bleiben immer länger Kinder

 

Seit den 1960er Jahren hat sich viel verändert. Die Bildungs- und Ausbildungsdauer, der Übergang von Jugendlichen aus mittleren und oberen Schichten in den Erwachsenenstatus hat sich drastisch verlängert. Ob wir nun die bestmögliche Qualifikation für unseren Traumberuf versuchen zu erlangen oder einfach aus Angst und Unsicherheit solange wie möglich den Status des Schülers, des Studenten oder Auszubildenden beibehalten wollen; Fakt ist: Von den 21-23-jährigen Männern leben 53 Prozent und 36 Prozent der Frauen noch bei ihren Eltern, und ein beträchtlicher Anteil kehrt nach dem ersten Auszug wieder ins Elternhaus zurück.

Die Übernahme von Verantwortung und das einhalten von Verpflichtungen im Arbeits- und Familienleben passt nicht mehr in den traditionellen Zeitplan unseres Lebenslaufens – zumindest nicht mehr so früh. Pädagogen und Soziologen haben dem Phänomen des ausgedehnten Jugendalters sogar einen eigenen Namen gegeben – die „Post-Adoleszens“. Dahinter versteckt sich ein zwiespältiges Lebensmuster: Viele kulturelle und materielle Erwartungen, geschaffen durch die Medien und Werbung, weisen auf einen schnellen Übergang vom Kind-sein zum Erwachsensein hin. Aber die fehlenden Chancen und damit verbundenen Risiken im Arbeitsmarkt machen es uns zunehmend schwieriger die Erwartungen an ein unabhängiges , erwachsenes Leben zu erfüllen.

In Deutschland haben sich seit den 90ern die Arbeitsmarktprobleme auf eine steigende Dauer bei der Suche des Ausbildungsplatzes oder zu einem längeren Aufenthalt an den Universitäten ausgewirkt. Das Durchschnittsalter eines Auszubildenden liegt heute bei etwa 20 Jahren. Zum Vergleich: 1970 lag es noch bei 16 Jahren. Ein Studium dauert durchschnittlich sieben Jahre. Die Jugend wird nicht nur auf früher verschoben und sorgt so für das Ende der Kindheit, sondern verlängert sich bis hin zum 30. Lebensjahr. Es sind die Anzeichen dafür, dass der Übergang zum Erwachsenenalter ein eigener Lebensabschnitt geworden ist. Aber ab wann ist man erwachsen? Soziologen sprechen von ihrem Eintreten mit der Bindung in einer festen Beziehung, beruflicher und materieller Selbständigkeit und der Gründung einer Familie. Vielleicht sind nur berufliche und materielle sowie Ehe und Kinder heutzutage nicht mehr die Werte, die uns wirklich antreiben. Vielleicht sind Selbstverwirklichung und persönliche Entfaltung auf Kollisionskurs mit dem was uns eigentlich zu Erwachsenen machen sollte.