Orientierungslosigkeit

 

Für die Orientierungslosigkeit in breiten Teilen der Bevölkerung machen Sozialforscher den Abbau von Wertmaßstäben durch die 68er Bewegung verantwortlich. Schwächung religiöser und kirchlicher Bindung, die Betonung individueller Freiheit und die Abwertung aller Beschränkungen individueller Freiheit sind das Erbe unserer Eltern. Normen, Hirarchien und Autoritäten und die Abwertung von Gemeinschafts- und Gruppeninteressen haben sie für die Freisetzung unserer individuellen Interessen und Bedürfnissen geopfert. Unser Leitbild ist heute das autonome Individuum, in seiner reinsten Form meist anzutreffen als Single, im ständigen Kampf gegen jede Form von Abhängigkeit, die die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit behindern könnte. Allein gegen den Rest der Welt, egoistisch, immer auf der Suche nach Möglichkeiten unsere Träume zu verwirklichen, ist offenbar die Lebensform der Zukunft.

 

 

Individuelle Freiheit, Selbstverwirklichung und Autonomie sind zu unseren Lebenszielen geworden, neben denen alle anderen Ziele und Werte verblassen. Bindungen wie in einer Familie oder ähnlichem sind zu Barrieren geworden, die wir überwinden müssen. Wo es früher noch überlebensnotwendig war in Familien oder Gemeinschaften für und miteinander zu leben, ist es heute aus Gründen der wirtschaftlichen Existenzsicherung besser ungebunden zu sein. Wirtschaftliches Denken ist der Motor für all unsere Entscheidungen. Alle Lebensbereiche sind heutzutage Durchkapitalisiert. Wer nichts hat, was er verkaufen kann, wer nicht jung, schön, schlank und eloquent ist, sieht eben „alt aus“. Wer sich nicht gut verkaufen kann, seine eigenen Stärken größer machen kann als sie sind, der versagt im Rennen unserer Konkurrenzgesellschaft. Die frühere Herrschaft von Kirche und Staat über den Menschen ist heute abgelöst durch die Kontrolle des Wirtschaftssystems und es erzieht uns zu egoistischem Denken und Handeln. Wir befinden uns also in einem Dilemma. Die Wirtschaft fordert von uns Durchsetzung durch Egoismus, aber wer so handelt gilt als unmenschlich und unsozioal. Die Werte die unsere Leben prägen und für unser Handeln und unsere Entscheidungen verantwortlich sind, wurden uns von unseren Eltern anerzogen und durch sie mitgeformt. Es ist fast schizophren wenn man unserer Generation den Werteverlust und das Fehlen von Gemeinsinn angekreidet, sind sie doch das Ergebnis unserer Erziehung. Verlautbarung, leere Versprechungen und Doppelmoral. Die Worte und Taten, der Generation die uns vorausgegangen ist, driften immer weiter auseinander. Toleranz ist uns anerzogen worden und wird von uns erwartet, aber bereits im Stil politischer Auseinandersetzungen von der Gesellschaft nie eingehalten. Menschenrechtsverletzende Staatsoberhäupter werden hofiert, wenn Aufträge für die Wirtschaft locken – da bleibt die Moral eben auf der Strecke. Möglicherweise sind viele der Werte die unsere Genration heute prägen nicht mit der Realität zu vereinbaren, dennoch sind sie fest in uns verankert. An

wem sollen wir uns nun orientieren, wenn niemand mehr für das einsteht was für uns wichtig ist? Einer Forsa-Umfrage zu Folge hat in der Tat nur noch jeder dritte Jugendliche in Deutschland ein Vorbild, dem er nachzueifern versucht. Immerhin nannte jeder sechste noch den eigenen Vater und die eigene Mutter als Vorbild – Politiker haben übrigens überhaupt keine Idolqualitäten.

 

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