Wir haben große Angst die wichtigen Entscheidungen in unserem Leben zu treffen. Job, Studium oder Ausbildung – wie kommen wir dahin wo wir hinwollen? Darüber zerbrechen wir uns ewig den Kopf und bevor man etwas falsch macht, lieber erstmal weiterbilden. Aber wir machen uns das Leben nicht nur selbst schwer, auch die Gesellschaft legt uns Steine in den Weg. Schnelle Aufstiegschancen für junge Arbeitnehmer tendieren gegen null. Obwohl das Establishment besessen von der Jugend zu seien scheint, will man uns nicht dabei haben. Unsere Gesellschaft ist geprägt vom Jugendwahn. Aber Jugendwahn bedeutet nicht, dass die Jugend die Macht übernimmt, sondern die Alten uns unser Alleinstellungsmerkmal stehlen und so tun als seien sie jung.
Wer den Fernseher einschaltet sieht Jan Hofer (63) die Tagesthemen verkünden; Alice Schwarzer (70) kämpft noch immer für die Rechte der Frauen und Mädchen; Joachim Gauk (73) als Bundespräsident amtieren; Dieter Bohlen (59) und Nena (53) suchen, was gerade total angesagt ist in der Musikszene.
Die Deutschen sind im Schnitt 44,5 Jahre alt und nach Japan das zweit-älteste Volk der Welt. Aber die ältere Generation blockiert nicht nur die Parlamente und das Showbusiness, sondern vor allem auch die Chefetagen. „50- bis 60-jährige Arbeitnehmer verdienen bis zu fünfzig Prozent mehr als ihre 20- bis 30-järigen Kollegen.“ Jeder vierte 20-25-jährige ist befristet beschäftigt.
Die Generation Praktikum kämpft um ihre Anerkennung. Die richtige Ausbildung ist entscheidend – nur welche? Ausbildung, Studium, Bachelor, Master. Wer in Deutschland nicht mindestens 15 Jahre die Schulbank gedrückt und herausstechende Noten gesammelt hat, dem bleiben die Jobs in Unternehmen oft verwehrt. Aber auch wer mit den besten Qualifikationen zum Vorstellungsgespräch anreist, dem fehlt immer noch die Berufserfahrung – am besten weitere 15 Jahre. Wer dies nicht vorweisen kann dem blühen etliche Praktika, Volontariate und befristete Arbeitsverträge. Wie paradox diese Anforderungen sind, scheint in den deutschen Konferenz- und Vorstandszimmern niemanden zu interessieren. Da hatten unsere Eltern es doch leichter. Hatten die nicht schon mit Anfang dreißig Haus, Hund und Kinder? Wir haben lediglich Titel wie „Trainee“, „Assistent“ oder „Junior-…) zu erwarten.
Während man in grauer Vorzeit noch ältere Stammesmitglieder einfach in der Steppe zurück ließ oder dem der Probleme hatte sein Pferd allein zu besteigen den Ruhestand nahelegte, blockieren diese heute die Karrierechancen junger Arbeitnehmer. Und je mehr alte Arbeitnehmer es gibt, desto schlechter sind die Aufstiegschancen für jüngere Generationen. Alter wirkt sich eben positiv auf Lohn und Status aus. Ob Arbeitnehmer ihren Job gut machen oder den modernen Anforderungen überhaupt gerecht werden können, ist dabei egal – das Senioritätsprinzip ist in den leicht ergrauten Köpfen der Deutschen fest verankert. Dabei war es nie sinnvoller als jetzt frischen Wind durch die Büroräume wehen zu lassen. Das Internet hat die Welt verändert. Und auch wenn die alteingesessenen Damen und Herren Computer und Mail Adressen besitzen, wissen sie meist doch nicht was Twitter wirklich ist und wie Marketing durch Facebook funktioniert. Wir sind die Menschen, die mit dem digitalen Wandel aufgewachsen sind. Wir haben die Kompetenzen, die dem Establishment fehlen.
Nur wie soll man aus dem System ausbrechen? Weiter mit der Angst und Unruhe leben? Welche Ausbildung, welcher Studiengang, welches Praktikum ist relevant für meinen Wunschberuf? Welche unnötig? Sollten wir rebellieren? Wo unsere Eltern noch mit langen Haaren und Rock ’n‘ Roll schockieren konnten, müsste man schon drastischere Maßnahmen ergreifen. Und wer aus dem System auszubrechen versucht, wird vielleicht davon überrannt. Und wollen wir den Ärger überhaupt? In Zeiten von Wirtschaftskrisen, Atom- und Umweltkatastrophen oder keiner Aussicht auf Rente ist unser größtes Bedürfnis die Sicherheit. Und die gibt es eben nur wenn man am System festhält. „Die Alten umarmen uns so fest, dass wir sie nicht wegstoßen können. Also bleiben wir umklammert. Und damit unfrei.“
Wir vertagen die Entscheidung, was zu tun ist, lieber auf einen anderen Tag und bleiben Kinder so lange es geht.